Hej Salzburg. Let’s see was deine Museen und Kuratoren und Kuratorinnen können. Fangen wir mir dem Rupertinum im Museum der Moderne an.
Ein kleiner Spaziergang von der Festung Hohensalzburg runter ins Tal, über einen Friedhof, zwei mal rechts, links, hofiert von zwei Bistros, da ist es: Das Rupertinum Atrium. Ziel erreicht, die Werke der Künstlerin Anna Boghiguian werden hier auf drei Etagen ausgestellt. Ein Rundgang kann nicht schaden, also los.
Ein paar Hardfacts zum Anfang: Die ägyptisch-kanadische Künstlerin stammt aus Armenien, wurde 1946 geboren. Wirklich aufmerksam wurde man erst in den letzten Jahren auf sie und ihre Kunst. Sie stellte auf der documenta13 aus und wurde auch international ausgezeichnet, zuletzt mit dem Goldenen Löwen für den Beitrag im Armenischen Pavillon auf der 56. Biennale di Venezia vor drei Jahren. Sie thematisiert in ihren Arbeiten alle möglichen, widrigen und unwidrigen Bedingungen auf unsere Gegenwart, das hier und jetzt. Und in eben diesem hier und jetzt können einige ihrer Werke in Salzburg angeschaut werden – es ist ihre erste Einzelausstellung im deutschsprachigen Raum.
Was erstmal riesig klingt, „drei Etagen, große Installationen“, ist nicht ganz so riesig wie erhofft.
In Wahrheit kann das Erdgeschoss nicht recht mitgezählt werden, bis auf die Künstlerinformation und ein Stück eingepferchtes Segeltuch, bemalt von der Künstlerin, in Salzburg, nice, ist da nichts. Ach doch, ein stickiger Raum um Rucksäcke einzuschließen.
In der ersten Etage aufwärts sieht es schon besser aus. Einmal rundum nur Anna Boghiguian, here we go. Im ersten Raum zieht es mich lediglich zu einer Installation in der Mitte des Raumes namens A Play to Play. Schöner Titel. In der Installation zeigt sich Boghiguians ausgeprägtes Interesse an Literatur, Poesie und Philosophie, im Besonderen an dem indischen Dichter und Nobelpreisträger Rabindranath Tagore, mit dem sie etliche Kilometer durch Indien gereist ist. Die Installation hat Platz – ein Luxus, den leider nicht alle Ausstellungsstücke genießen.

Eine große Installation, die zur 14. Istanbul Biennale 2015 entstanden ist, vom Salzburger Museum selbst angekündigt als „spektakuläre Arbeit (…)“, heißt The Salt Traders und ist tatsächlich eine große, weite Installation mit Segeln, Collagen, Salzsteinen und Sand. In Salzburg leider wortwörtlich raumfüllend. Es wurde (mal wieder) zu viel in einen kleinen, länglichen Raum gepackt – man fühlt sich wie in einer Kita-Spielecke. Too much, für meinen Geschmack.

Funfact: Das Laufgefühl ist in diesem Raum dafür überraschend angenehm, schlüpft man einmal in die blauen Schuhüberzieher (kennt man sonst nur von allzu spießigen Begehungen in Wohnungen, die man sich eh nicht leisten will/kann/sollte, das nur am Rande), läuft es sich auf dem Sand wunderbar. Die Herausbildung antiker Handelswege und die bis heute sichtbaren Spuren von Kolonialismus und Sklaverei soll man hier unterdessen nachempfinden. Na ja, raus aus den Überziehern, rein in den nächsten Raum.
Spaziergang in das Unbewusste
Quietsch rot (why?), aber der erste Raum mit etwas Charme. Anna Boghiguian Promenade dans l’inconscient ist eine Detail-Installation aus verschiedenen Materialien auf 28 indischen Papierschnitten, Stoffen und Jeansstoffen. Dieser Durchgangsraum verleitet zum Weitergehen, schade, obwohl die Kunst gefällt. Kurzum: Hier läuft was falsch, es geht in den nächsten Raum.

Aber, hier wird’s nochmal spannend, wait for it. Ein mini-kleiner Raum wird zum ersten Highlight der Ausstellung. THIS is it, ein ältlicher, flimmernder Fernseher spielt eine Pressekonferenz mit the one and only Hans Ulrich Obrist im Gespräch mit Anna Boghiguian und Carolyn Christov-Bakargiev ab. Zwei Menschen können vor dem Fernseher Platz nehmen.

Gemütlich, sag ich mal. Aber sonst fesselnd, einladend, sich mit der Persona Anna Boghiguian zu beschäftigen. Wenigstens mal Google zu bemühen und den Text im Eingangsbereich zu lesen. Armenien, Ägypten, Kanada, zur documenta13 nach Kassel, über 70, schmucklos im grauen Pulli unterwegs, eine Erscheinung. Dieser Raum gefällt in seiner Kleinheit.
Haushohes Tuch, gefangen im Atrium
Einmal geht es noch rauf ins Atelier. Die Künstlerin hat in der Vorbereitung zur Ausstellung im Museum der Moderne gewohnt und ein Atelier als Installationsarbeit angefertigt – neben dem Segeltuch, das neben dem Treppenhaus hängt. Dieses haushohe Tuch (Trade + Birds) entstand ebenfalls in Salzburg und wird das Museum ein Jahr lang schmücken oder anders gesagt: den Treppenaufgang verhängen. Für die Installation hat sie ein handgewebtes und handgenähtes Segel mit Texten, Übermalungen, Zeichnungen und Stoffen bearbeitet. “Ich habe es bei einem Segler in Kairo gekauft”, wird sie später zitiert, “Es soll über 100 Jahre alt sein, aber das glaube ich nicht.” Ihr geht es in der Arbeit darum, zu zeigen, wie Wirtschaft und Politik gleichermaßen vom Handel beeinflusst wird. Dafür müsse man sich nur den aktuellen Handelsstreit zwischen den USA und China ansehen, sagt sie der Salzburger Presse bei der Eröffnung.
Dennoch, auch hier gilt: Platz! Das Tuch möchte atmen, passt sich überhaupt nicht geschmeidig in die Gegebenheiten ein und folgt eher dem Motto ‚mehr ist mehr‘. Vielleicht ist man auch von den großen leeren Hallen in Hamburg, Berlin, Leipzig und whererever verwöhnt, aber gut gemacht ist irgendwie anders. Immerhin: Es erstreckt sich über 3 Etagen.

Zurück zum Atelier, dem zweiten und letzten Highlight der Ausstellung. Da steht man nun, in ‚ihrem‘ Atelier. Darf hereintreten, zwischen Farben, Obstresten, leeren Cognacgläsern, einer Schriftrolle, die sich auf dem Boden ausrollt, einem abgewetzten Teppich. Ob es die Höhe oder die Ehrfurcht ist, der Raum ist gefüllt und erfüllt mit einem – wie sagt man – guten Vibe.
Der Museumsgast versteht nun vielleicht das ein oder andere Werk besser, diese Frau, die dauernd reist, ihre Ästhetik, wie sie arbeitet und vor allem wie es da so aussieht. Ein Blick auf die vermeintliche Hinterbühne. Eine Installation, die sich nicht wie eine anfühlt. Aber etwas fühlen lässt, ein Mittendrin-Gefühl. Da sind Fotos, Bücher, Blumen, Pinsel, Farbtöpfe, völlig vertrocknet und schon zu Körnern zerfallen. Die Installation genießt Freiraum, man darf trotzdem ganz nah herangehen. Auf dem Teppich stehen, ihre Fotos anschauen, Selfies im Spiegel machen. Und hier passt der Raum – es könnte wirklich ein Arbeitsraum, nein ihr Arbeitsraum, sein – es ist authentisch. Es rundet die durchwachsene Ausstellung ab, entlässt den Besucher mit einem Zugang zur Künstlerin.
Um es kurz und kryptisch zu halten: Anna Boghiguians Kunst ist jetzt nicht so 100% my cup of tea, die Präsentation und die Räume schon gar nicht, aber die Frau an sich, YES. Die Ausstellung hat ihre (wenigen) Momente, kommt aber als Gesamtpaket nicht zum Punkt. Hingehen lohnt sich so lala, vielleicht auch doch.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 11.11.2018.