Ich treffe heute Jan-Jan aka Jaqueline. Ich kenne Jaqueline schon 2 Jahre, war schon öfter in ihrer bunten, ziemlich einzigartigen Wohnung auf der Eisenbahnstraße. Aber noch nie war‘s so aufgeräumt!
Jan-Jan lässt sich nicht so einfach mit 2-3-4 Worten beschreiben. Es gibt Menschen, da geht das problemlos. Bei ihr nicht.
„Schreiben, Musik, Malerei – mein Leben ist meine Kunst, meine Kunst ist mein Leben“, sagt sie* mir, nachdem sie sich eine Zigarette gedreht hat. „Und ich möchte über zwei Dinge sprechen“, dabei pustet sie Rauch über den Tisch, „Altern und Sexualität“.
Geil, da sind wir schon gleich beim Thema. Gleich-gleich, erst noch ein kleines Intro zu Jan-Jan-Jaqueline.
© Kinga Kaja
„Coming out – coming out of what?“
Aufgewachsen in einem kleinen Ort in Brasilien, weitergezogen nach Rio de Janeiro, mit fünf Schwestern zu Diskomusik getanzt, über San Francisco und New York, schließlich der Liebe wegen (mittlerweile Ex-Liebe bzw. Ex-Mann) erst in Berlin, dann in Leipzig gelandet. In NY und SF ein Kunststudium begonnen, nie beendet. Um die Welt gereist, Madonna gehört und meditiert. Das ist mal ein CV, isn‘t it?
Die brasilianische Künstlerin ist als Sängerin, Radio-Host und von Installationen in Galerien und als Performerin in Locations und Hausprojekten in Leipzig bekannt. Auffallende Inszenierung, ja, Drag nein. Eine rauschhafte Erscheinung in jedem Falle, die aber nicht bloß als bunte-transgender-Person missverstanden werden möchte. Trotzdem nicht weniger Funfunfun. Darauf angesprochen, sagte mir JanJan schon bei einem Treffen vor zwei Jahren: „Ich möchte keine Frau sein, ich möchte kein Mann sein – ich möchte ich selbst sein“ – heute fügt Jan-Jan noch hinzu: „Ich halte dieses Gerede über ‚Coming out‘ nicht aus – was heißt das denn? Coming out? Coming out of… what?“ – true. Die gängigen Labels von ‚homosexuell‘, ‚transsexuell‘, ‚queer‘, das alles braucht es nicht, um Jan-Jan als Mensch zu beschreiben. Aber das nur als Zwischennotiz, weiter geht es mit der Kunst.
Jaqueline zeigt bei ihren Ausstellungen Malerei, Zeichnungen und Skulpturen. Die halbe Wohnung bringt sie für diese Ausstellungen in die Ausstellungsräume – eine Re-Installation der Wohnung. Ja, denn auch die Wohnung itself ist Kunst. Alles ist Kunst.
Die Permanent-Selbstinszenierung mit Make-Up, Kleid und Boom-Boom-Attitude ist für sich genommen eine Zusatz-Performance – Performance in der Performance wird es dann, wenn Jaqueline als Sänger_in auftritt. Und trotzdem ist die Performance auch Alltag.
Metaebene.
© Kinga Kaja
Sex, Age, Trans, Queer
Jan-Jan aka Jaqueline labelt sich selbst nicht, legt sich somit nicht fest. Genauso wenig ratsam ist es, sich selbst als Künstler_in in Schubladen zu stecken, erzählt Jaqueline weiter: „Ich mache Filme, Fotos, schneidere meine Kleider zurecht, male, mache Skulpturen, schreibe an meinem Buch, klicke mich durch Ableton, lerne und singe, meditiere… Ich brauche kein Label, das mir und allen anderen erklärt: Hej, ich bin trans, queer, whatever und Musikerin. Und Malerin. Ich bin ein Mensch, das ist alles.“
Ich könnte Jaqueline einfach stundenlang zuhören… Der Ausdruck ihrer Lebenswelt ist nicht exzentrisch-erlogen. Es entspannt, bei ihr zu sein, sich zu unterhalten, die Kristalle und Stofftiere auf ihrer Couch anzuschauen und von ihr erklärt zu bekommen: „Ich bin 51. Über 50. Und ich genieße es – Menschen, die jeden Tag um ihre Jugend trauern und sich verstecken, sind traurig, finde ich. Sie sollten sich und ihr Alter lieber feiern. Und den Sex im Alter!“
Im Hintergrund läuft George Michael, ich schaue mir die Kristalle und das kleine Notizheft neben dem Laptop an.
Falafel und Meditation
Der wichtigste Safe-Place ist Jaquelines Wohnung, unverkennbar. Die Küche, das Bad – überall sind Notizen angekritzelt, empowernde Worte. Kleine Ecken sind zum Meditieren eingerichtet. Im Bad neben dem Spiegel lese ich: ‚Keine Sorgen‘.
Wir gehen noch ins Bistro Syrien, trinken Tee, holen uns eine Cola und bestellen Falafel.
Ich frage, ob Leipzig sicher ist. Ob J. so frei sein kann, wie sie das möchte. Diese Frage bekäme sie so alle zwei Wochen zu hören, winkt Jaqueline ab: „Ich höre auf meine Intuition. Das Universum schützt mich – ohne diese Überzeugung ginge ich kaputt. Ich bin bedacht, vorsichtig, mache auf der Straße keinen Quatsch. In den 80ern wurden mein damaliger Partner und ich ziemlich übel attackiert…das war in San Francisco. Aber das ist lange her. Zum Glück. Wenn mir hier in Leipzig jemand nachruft oder mich anstarrt – ich höre es nicht, ich fühle es nicht.“
„Einmal wollte ich zu einer Afterhour, hatte aber ein komisches Gefühl, da es ein recht langer Weg bis dorthin war und ich den Gastgeber nicht kannte. Na ja, ich ließ mich überreden. Und wurde tatsächlich abgewiesen – ich solle gehen, es war klar weswegen. Ein schrecklicher Moment. Das hat mich gelehrt: Höre noch mehr auf dein Bauchgefühl. Setz dich solch einer Situation nicht aus.“
All in all fühlt Jaqueline sich in Leipzig aber sicher. Und genießt die Abende in Safe-Places wie dem Institut fuer Zukunft, bei Radio Blau, wo ihre eigene Sendung, die ‚Love Hour‘ einmal im Monat ausgestrahlt wird, oder auf Festivals.
Wir sitzen draußen in der Sonne, unser Essen wurde mittlerweile durch‘s Fenster gereicht und steht vor uns. Das Geglotze der vorbeigehenden Menschen lachen wir weg. Ich bin dankbar für diesen Tag – mit Jan-Jan aka Jaqueline über ausgefallene Installationen zu sprechen, mir beruhigend versichern zu lassen, dass überall um uns herum Kunst ist und man sich nicht bei jeder Vernissage anstellen muss – das mag ich sehr. J. schält dabei kleine Alufolienstücke aus einer Einbuchtung im Falafel. Die blonde Perücke reflektiert die Sonne, der Tee schmeckt lecker-süß.
Ausstellungen_Exhibitions + Performances_Festivals von JanJanJaqueline
© Andreas Krüger
Zilp Zalp Festival 2018
Neuseenmühle/ Groitzsch
Keine Fische Aber GRETHEN Festival 2018
Laucha
„5 Pigmente“ Ausstellung im Pöge-Haus Leipzig
Pöge-Haus, Leipzig
The Love Hour – Radio Blau
Love-Art***Creativity&LivePerformance * Jacqueline Boom-Boom
Subbotnik, Leipzig